Dieter Axmann
Fachanwalt & Strafverteidiger
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Sexuelle Handlungen zwischen Erwachsenen ab 21 und Jugendlichen unter 16 sind strafbar, wenn der oder dem Jüngeren die Fähigkeit zu selbstbestimmtem sexuellem Verhalten fehlt. Das kann wiederum auch an einer von Dominanz und Manipulation geprägten, ungleichen Beziehung liegen (BGH, 16. 10. 2017 - 3 StR 83/17).
Das Landgericht Lüneburg hatte einen damals 26-jährigen Ruder-, Schwimm- und Fußballtrainer wegen mehrerer Sexualstraftaten zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Das Urteil erging wegen sexuellem Missbrauch von Kindern in elf Fällen und schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in vier Fällen. Ein Fall von Missbrauch war dem Strafurteil zufolge in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer widerstandsunfähigen Person begangen worden, dazu kam der Tatbestand des versuchten sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit versuchter sexueller Nötigung.
Der Mann hatte sich seinen Opfern, Jungen zwischen neun und 15 Jahren, als Trainer bei der DLRG, bei der Sport-AG einer Schule und bei einem Verein genähert.
Mit einem der Jugendlichen hatte der Angeklagte in vier Fällen Analverkehr. Er war zum Tatzeitpunkt 14 Jahre alt, leidet an einer Störung aus dem Autismus-Spektrum und wurde als leicht intelligenzgemindert eingestuft. Der Jugendliche war Nebenkläger im Missbrauchsprozess gegen den Sporttrainer. Sein Rechtsanwalt legte gegen das Urteil Revision beim Bundesgerichtshof ein, weil das Landgericht den Angeklagten in einigen Anklagepunkten freigesprochen hatte.
Der Bundesgerichtshof entscheidet im Rahmen eines strafrechtlichen Revisionsverfahrens nicht, ob ein bestimmter Tatbestand wirklich vorliegt. Das ist Aufgabe der sogenannten Tatsacheninstanz, in diesem Fall des Landgerichts. Die Tatsacheninstanz ist auch allein für die Beweisaufnahme zuständig, darunter das Anhören und Befragen von Zeugen, Opfern und Angeklagten. Das Revisionsgericht beschäftigt sich jedoch mit der Frage, ob die im Strafverfahren erhobenen Beweise und Aussagen im Strafurteil der Tatsacheninstanz angemessen gewürdigt wurden, und ob dort alle relevanten Tatbestände berücksichtigt worden sind.
Das Landgericht hatte in Bezug auf die sexuellen Handlungen des Trainers an und mit dem Vierzehnjährigen zwei Tatbestände ausgeschlossen: sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen (gemäß § 174 Abs. 1. Nr. 1 StGB) sowie sexuellen Missbrauch widerstandsunfähiger Personen (gemäß § 179 Abs. 1 StGB a. F.). In diesem Ausschluss sah der dritte Strafsenat des Bundesgerichtshofs kein Problem. Allerdings hatten es die Lüneburger Strafrichter nach Ansicht des BGH versäumt, den möglichen Tatbestand des sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen gemäß § 182 Abs. 3. Nr. 1 StGB a. F. zu prüfen.
Nach dieser Vorschrift sind sexuelle Handlungen einer Person von über einundzwanzig Jahren mit einer Person von unter sechzehn Jahren strafbar, wenn die ältere Person dabei die fehlende Fähigkeit des jüngeren Opfers zu selbstbestimmtem sexuellen Verhalten ausnutzt. Dass die Fähigkeit zur sexuellen Selbstbestimmung nicht ausreicht, kann nicht nur an der geistigen, seelischen oder sozialen Entwicklung des Opfers liegen. Auch ein Machtgefälle zwischen Jugendlichen und dominanten, manipulativen Erwachsenen kann für eine unangemessene Möglichkeit zur Beeinflussung sorgen.
Es kann in diesem Fall dann ein sexueller Missbrauch von Jugendlichen vorliegen, wenn der Jugendliche deshalb nicht in der Lage ist, komplexe Beziehungsgeflechte zu durchschauen, manipulative Beeinflussung zu erkennen und sich in der Folge dann auch den sexuellen Wünschen des manipulativ agierenden Erwachsenen nicht verschließen kann.
Bei den sexuellen Kontakten zwischen dem Rudertrainer und dem auf ihn fokussierten Jugendlichen sah der BGH bei dem 14-jährigen Anzeichen für eine fehlende Fähigkeit zur sexuellen Selbstbestimmung aufgrund der manipulativen Verhaltensweise des Erwachsenen.
Weil das Landgericht diese Prüfung versäumt hatte, hob der BGH das Urteil auf und verwies den Fall zur Neuverhandlung zurück.
Rechtsanwalt Axmann ist Fachanwalt für Strafrecht. Er hat bereits Hunderte von Mandanten erfolgreich gegen den Vorwurf von Sexualdelikten verteidigt. Durch mehrjährige Erfahrung als Strafverteidiger in Dortmund und fundierte Kenntnisse kann er mit Fug und Recht behaupten Spezialist im Sexualstrafrecht zu sein.